Vom vergessenen Lager zum Dokumentationszentrum?
Das ehemalige NS-Zwangsarbeiterlager
in Berlin-Schöneweide

Gabriele Layer-Jung und Cord Pagenstecher

Schöneweide ist ein großes Industrie- und Arbeiterviertel beiderseits der Spree im Berliner Bezirk Treptow-Köpenick. Im nördlich der Spree gelegenen Oberschöneweide stehen heute noch die großen, zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Fabrikhallen der AEG, während in Niederschöneweide am südlichen Ufer teilweise die gründerzeitliche Wohnbebauung erhalten blieb. In beiden Ortsteilen führte die Deindustrialisierung, die im Osten der Stadt nach 1989 schlagartig einsetzte, zum Verlust von Zehntausenden von Arbeitsplätzen, zu Leerstand und Verfall.
Im Rahmen eines städtebaulichen Sanierungsverfahrens wurde 1993 in Schöneweide das letzte noch komplett erhaltene Zwangsarbeiterlager von Berlin »entdeckt«1: Zwischen den Wohnbauten erstreckt sich ein Gelände aus dreizehn symmetrisch angelegten Steinbaracken, die von verschiedenen kleinen Werkstätten und Einrichtungen genutzt werden. In dem für über 2 000 ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen gebauten Lager waren unter anderem italienische Bauarbeiter und weibliche Häftlinge eines KZ-Außenlagers untergebracht. Sechs leerstehende Baracken an der Britzer Straße sind in Bundesbesitz und stehen derzeit zum Verkauf. Gemeinsam mit anderen Initiativen möchte die Berliner Geschichtswerkstatt hier ein Dokumentations- und Begegnungszentrum zur NS-Zwangsarbeit einrichten.
Dieser Artikel schildert zunächst die Bau- und Nutzungsgeschichte des Lagers, soweit dies die dünne Quellenlage erlaubt: Die Akten über Bau und vor allem Nutzung des Lagers sind verstreut; konkrete Schilderungen von Zeitzeug fehlen bislang.2 Anschließend werden die gegenwärtige Situation, die jüngsten Aktivitäten des Projekts und die Ziele des angestrebten Erinnerungsortes skizziert.

GBI-Lager 75/76. Der Lagerbau durch den Generalbauinspektor

Das baumbestandene Gelände zwischen der Britzer, Köllnischen und Rudower Straße gehörte der Deutschen Reichsbahn und war spätestens seit 1939 begehrtes Bauland. Anfang 1939 sollte dort ein HJ-Heim entstehen. Da sich der Bauplatz jedoch inmitten eines Wohngebiets befand, nahm man von der Realisierung wieder Abstand. Im Juli 1939 plante die in Berlin-Mitte ansässige Wohnungsbaugesellschaft GEHAG, auf dem Gelände 1 230 Zwei-Zimmer-Wohnungen zu errichten. Trotz Freigabe des Bauplatzes wurde auch dieses Projekt nicht umgesetzt.
Ursprünglich gehörte ein kleiner, 1 084 m2 umfassender Teil des Waldareals den jüdischen Brüdern Kurt und Willy Mannheimer, das restliche Grundstück von ca. 31000 m2 der Deutschen Reichsbahn. Aufgrund der elften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 25. November 1941 verloren Juden mit Wohnsitz im Ausland die deutsche Staatsangehörigkeit und damit auch ihr Vermögen in Deutschland. Der »Aufenthalt im Ausland« bezog sich dabei nicht nur auf Zufluchtsorte, sondern hauptsächlich auf die Konzentrations- und Vernichtungslager. Aufgrund dieser Verordnung fiel das Eckgrundstück der Mannheimers an der Britzer/Köllnischen Straße am 13. Juni 1942 an die Vermögensverwaltung des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg.
1943 übernahm das für die Organisation der Zwangsarbeit in Berlin zentrale Amt des Generalbauinspektors (GBI) das Gelände. Die 1937 eingerichtete Sonderbehörde des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt unter der Leitung Albert Speers plante großflächige Abrisse und monumentale Neubauten im Zentrum Berlins, das später in »Germania« umbenannt werden sollte. Um die Mieter in Häusern, die dieser Planung im Wege standen, umsetzen zu können, trieb Albert Speer 1941 die Freimachung von sogenannten Judenwoh-nungen voran und forcierte damit die Judendeportationen aus Berlin. Gleichzeitig wurden aber kriegsbedingte Aufgaben wie der Luftschutz- und Lagerbau vordringlich. Nachdem Albert Speer 1942 zum Reichsminister für Bewaffnung und Munition ernannt wurde, zentralisierte er den Bau von Barackenlagern und unterstellte reichsweit alle Lagerbauten zur Unterbringung von »Ostarbeiter« der Koordination seines Ministeriums.
In Berlin entschied die Abteilung II/6 »Arbeitseinsatz und Beschaffungswesen« des GBI von nun an als Genehmigungsbehörde über alle Bauanträge für Wohnlager. Außerdem errichtete der GBI in Berlin über 70 Barackenlager in eigener Regie, um sie entweder für ›eigene‹ Zwangsarbeiter zu nutzen oder an andere Firmen zu vermieten. Im Juni 1943 pachtete die GBI-Abteilung II/3 »Verwaltung und Wirtschaft« das Gelände in Niederschöneweide, um ein Lager für 5 000 Personen zu errichten. Die Leitung übernahm die Bauabteilung Hetzelt; Architekt war Hans Freese. Der damalige Ordinarius für Entwürfe und Perspektive an der Fakultät für Architektur der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg wurde nach dem Krieg Rektor der Technischen Universität Berlin.
Der GBI schloss am 15. September 1943 Mietverträge mit der Reichsbahndirektion und rückwirkend zum 1. Juli 1943 mit dem Oberfinanzpräsidenten von Berlin-Brandenburg ab. Am 17. September befand sich das Lager bereits in Bau. Da per Anordnung durch Reichsverteidigungskommissar Goebbels im August 1943 der Bau von Holzbauten aus Luftschutzgründen untersagt worden war, wurden statt der geplanten Holzgebäude für 5 000 Personen nun Steinbaracken für 2 160 Personen errichtet. Im Genehmigungsverfahren wurde explizit auf die Richtlinien für die behelfsmäßige Kriegsbauweise vom 2. Juli 1941 hingewiesen, nach denen auf Außenfassaden nötigenfalls Tarnanstriche angebracht, Innenwände, wenn überhaupt, nur mit weißer Kalkfarbe gestrichen und außerdem elektrische Leitungen nur als Freileitungen verlegt werden durften. Als Fußbodenbelag wurde Lehm-Estrich oder einfacher Holzfußboden vorgeschrieben. Nach diesen Richtlinien war auch jede Unterkellerung von Baracken untersagt. Trotzdem befanden sich im GBI-Lager 75/76 statt der sonst üblichen Splitterschutzgräben reguläre Luftschutzkeller, die von vier Baracken aus zugänglich und für 500 Personen ausgelegt waren. In mindestens zwei, vermutlich aber auch in anderen Baracken, waren Toilettenanlagen vorhanden. Waschräume hingegen befanden sich nur im Wirtschaftsgebäude in der Mitte des Barackenlagers. Die Baugenehmigung enthielt die Bedingung, dass die Bewohner der südlich angrenzenden Kleingartenkolonie am Rande des Lagers entlang einen Durchgang zur nächsten, nördlich gelegenen Einkaufsstraße erhielten. Zwischen Barackengelände und Laubenkolonie lagen sechs Meter. Das Lager war von seiner Umgebung durch einen Maschendrahtzaun abgetrennt, auf dem Stacheldraht angebracht war. Am 4. Oktober 1943 standen bereits drei Baracken, vier Monate später sind auf einem Luftbild weitere zwei Baracken und die Wirtschaftsbaracke erkennbar. Dann stockte der Bau aber aus unbekannten Gründen: Das Lager wurde erst zwischen Februar und November 1944 teilweise in Betrieb genommen. Selbst nach Kriegsende fehlten in zwei Baracken noch die Fußböden.

»Italienerlager«. Zwangsarbeit auf GBI-Baustellen und Vermietung an andere Firmen

Der GBI errichtete Wohnlager für ausländische Arbeitskräfte, die er selbst beim Luftschutz- und Lagerbau oder zur Trümmerbeseitigung nach Luftangriffen einsetzte. Ein solches Lager war das auch als »Italienerlager« bezeichnete Doppellager 75/76: Nach einer Belegungsliste vom 6. November 1944 waren im GBI-Lager 75/76 435 italienische Bauarbeiter untergebracht. Daneben vermietete der GBI Bettenplätze in seinen Lagern an andere Betriebe, in Schöneweide etwa an den Wehrwirtschaftsbetrieb »Berliner Präzisionsdreherei Albert Pierburg KG« und an das nahe gelegene Reichsbahnausbesserungswerk. Die Normalbelegung des Lagers wurde auf der genannten Belegungsliste mit 534 Personen angegeben. In einem anderen Dokument, wird - ohne Nennung eines Zeitpunkts - die Belegung von sechs Baracken mit 250 Italienern, Belgiern und Franzosen angegeben. Ehemalige Anwohner sprechen aber auch von sowjetischen und polnischen Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen. In einer Lohnliste der GBI-Abteilung II/6 vom Januar 1945 sind 17 Personen, darunter zwei Frauen, mit italienisch und flämisch klingenden Namen überliefert, die vermutlich in der Lagerverwaltung oder der Küche arbeiteten.
Die im »Italienerlager« untergebrachten Zwangsarbeiter waren entweder ursprünglich freiwillig zugewanderte Zivilarbeiter, denen die Rückkehr nun verwehrt wurde, oder - und dies ist wahrscheinlicher - in den Zivilstatus überführte Militärinternierte. Nachdem Marschall Badoglio im Juli 1943 die Regierung Mussolini abgesetzt und im September einen Waffenstillstand mit den Alliierten geschlossen hatte, wurden alle italienischen Soldaten gefangen genommen.
Als sogenannte Militärinternierte wurde ihnen der von der Genfer Konvention geschützte Kriegsgefangenenstatus verwehrt. Rund 600 000 Militärinternierte (IMI) wurden in die Lager im Deutschen Reich und den besetzten Gebieten verschleppt und zur Zwangsarbeit eingesetzt; viele von ihnen kamen auch nach Berlin. Auf der politisch-rassistischen Diskriminierungsskala der Nationalsozialisten waren die ehemaligen Verbündeten nun plötzlich ganz weit unten angesiedelt; die deutsche Bevölkerung beschimpfte sie als »Verräter« und »Badoglios«. Im Herbst 1944 wurden sie auf Drängen von Rüstungsminister Speer im Zuge des Erlasses zum »Totalen Kriegseinsatz« in ein Zivilarbeitsverhältnis überführt. Heute wird dieser Statuswechsel von der Bundesregierung als nicht wirksam betrachtet, so dass etwa 90 000 Überlebende als Kriegsgefangene gelten und damit von den Zahlungen nach dem Entschädigungsgesetz ausgeschlossen bleiben.

KZ-Außenkommando. Ravensbrücker Frauen bei der Batteriefabrik Pertrix

In Niederschöneweide befand sich neben fast 20 zivilen Zwangsarbeiterlagern auch ein KZ-Außenkommando - eines von über 30 Außenlagern allein in Berlin. Die durchweg weiblichen Häftlinge stammten aus Belgien, Frankreich, Polen und den Niederlanden. Die polnischen Häftlinge waren Ende Juli 1944 aus dem Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau zunächst nach Ravensbrück und Ende August in das Außenlager Berlin-Zehlendorf verlegt worden. Die anderen Häftlinge wurden am 3. September 1944 gemeinsam in einem sogenannten Sondertransport zunächst in das Konzentrationslager Ravensbrück deportiert und kurze Zeit später ebenfalls nach Zehlendorf überstellt. Dort stellten die Häftlinge Fallschirme bei der Spinnstoff-Fabrik Zehlendorf her. Im November zog das gesamte der Verwaltung des Konzentrationslagers Sachsenhausen unterstehende Außenlager nach Niederschöneweide um.
Hier wurden die Häftlinge in einem umgebauten Bootsschuppen am Spreeufer untergebracht. Er befand sich auf dem Gelände der ehemaligen Ausflugsgaststätte »Loreley« an der damaligen Berliner Straße (heute Schnellerstraße), das inzwischen vom Wehrwirtschaftsbetrieb »Gebrüder L'Orange Motorzubehör« genutzt wurde. Die Frauen mussten bei der Firma Pertrix Batterien herstellen und dabei in zwei Schichten zu je zwölf Stunden ohne jeden Schutz mit ätzenden Säuren hantieren. Die Batteriefabrik Pertrix gehörte zur Akkumulatorenfabrik AG (AFA), die in der nahe gelegenen Sedanstraße (heute Bruno-Bürgel-Weg) sowie in Berlin-Oberschöneweide, Hagen und Hannover-Stöcken Akkumulatoren herstellte. Während die Werke in Schöneweide nach 1945 verstaatlicht wurden, produzierte der von der Industriellenfamilie Quandt beherrschte AFA-Konzern in der BRD unter dem Namen VARTA weiter.
Nachdem die Unterkunft des KZ-Außenkommandos am 24. Februar 1945 bombardiert und dabei vollständig zerstört wurde, wurden etwa 200 Häftlinge in das nahegelegene Lager 75/76 verlegt; die übrigen Frauen kamen in ein Nebenlager nach Köpenick oder nach Sachsenhausen. Im GBI-Lager belegten die KZ-Häftlinge zwei Baracken einer Lagerhälfte; die restlichen vier Baracken dieses Teils des Lagers waren zu diesem Zeitpunkt unbelegt. Die Häftlinge trugen schwarz-weiß gestreifte Kleidung mit einem Kreuz auf dem Rücken. Die SS-Aufseherinnen begleiteten sie zur Arbeitsstelle und bewachten sie während der Arbeit. Das weibliche SS-Personal aus Ravensbrück blieb während der ganzen Zeit in Zehlendorf und Niederschöneweide unverändert; nur der männliche Kommandant wurde ausgetauscht.
Am 20. April 1945 brachte die SS die Häftlinge ins Konzentrationslager Sachsenhausen, dessen Evakuierung zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen hatte. Janina W., die als KZ-Häftling im Lager 75/76 untergebracht war, wurde am 2. Mai 1945 von der amerikanischen Armee in der Umgebung von Schwerin befreit.

Denkmalschutz für das gesamte Ensemble

Unmittelbar nach Kriegsende wurde eine Baracke abgerissen, zwölf Massivbaracken und die Wirtschaftsbaracke in der Mitte des Lagergeländes blieben erhalten. Ihr Zustand wird im November 1945 als »beschädigt« beschrieben. Zunächst nutzte die Rote Armee einige Baracken, offenbar als Lebensmittelmagazin. Dann wurde - und wird bis heute - eine Hälfte des ehemaligen Lagers von kleinen Werkstätten und Autohändlern, einer Sauna, einer Kindertagesstätte und der Kegelhalle »Völkerfreundschaft« genutzt; im anderen Teil richtete das Impfstoffinstitut der DDR Labors und Büros ein.
Da die massiv gebauten Steinbaracken den Bedürfnissen genügten, blieb die Bausubstanz im Wesentlichen erhalten. An einigen Mauern sind die ursprünglich unverputzten Hohlblocksteine noch gut erkennbar; in den Kellern sind noch Wandinschriften der Zwangsarbeiter erhalten. Neue Fenster, Zentralheizung und veränderte Raumaufteilung haben die Baracken im Innern verändert.
Dennoch ist der lagerartige Charakter der Anlage noch deutlich erkennbar. Wichtiger als die Einzelbaracke ist das Ensemble, das eindrucksvoll die wohl wichtigste und typischste Architekturform des Nationalsozialismus zeigt: das Barackenlager. Der Blick aus den Barackenfenstern hinauf zu den Balkonen der Nachbarhäuser veranschaulicht darüber hinaus das spezifische Merkmal der Zwangsarbeit: Mehr noch als die anderen Verbrechen des Nationalsozialismus geschah die Ausbeutung und rassistische Diskriminierung von allein in Berlin über einer halben Million Zwangsarbeiter direkt vor der Haustür der Berliner. Über 1 000 Zwangsarbeiterlager in Baracken, Gaststätten, Bootsschuppen, Wohnungen und Fabrikhallen überzogen die Reichshauptstadt Berlin.
Als letztes komplett erhaltenes Lager steht das gesamte, 3,3 ha große Ensemble seit 1995 unter Denkmalschutz. Aber: Ohne eine öffentlich sichtbare und offiziell abgesicherte Erinnerungsarbeit läuft der Denkmalschutz ins Leere, sind die teilweise leer stehenden Baracken dennoch von Verfall und Abriss bedroht. Immer wieder werden Begehrlichkeiten laut, von einem zeitweise geplanten Schulneubau bis hin zu den Verkaufsräumen eines ansässigen Autohauses, das 1995 eine gläserne Schaufenster-Fassade auf dem Gelände errichtete und in der Folgezeit auch eine Baracke abriss. Seit September steht nun der Lagerteil im Bundesbesitz zum Verkauf - mit höchst ungewissen Folgen für die Zukunft des Denkmals.

Initiativen und Aktivitäten

Mehrere in einem Förderkreis zusammengeschlossene Initiativen möchten in den leer stehenden Baracken ein Dokumentations- und Begegnungszentrum zur NS-Zwangsarbeit einrichten. Eine von ihnen ist die Berliner Geschichtswerkstatt e. V., die seit über 20 Jahren die Berliner Geschichte erforscht und dazu Bücher veröffentlicht und Ausstellungen sowie Dampferfahrten veranstaltet. Seit 1994 arbeitet eine Projektgruppe der Berliner Geschichtswerkstatt auf überwiegend ehrenamtlicher Basis zum Thema Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Berlin und Brandenburg. Sie erforscht die Geschichte des GBI-Lagers in Schöneweide, aber auch anderer Orte der Zwangsarbeit in und um Berlin. Sie setzte sich frühzeitig für eine finanzielle Entschädigung ein, u.a. durch öffentliche Appelle und durch Recherchen nach Nachfolgefirmen von Zwangsarbeitsbetrieben. Das Projektteam organisiert Begegnungsprogramme und entwickelt pädagogische Materialien. Es sammelt Dokumente, Erinnerungen und Fotos in einem Spezialarchiv. Bücher, Vorträge, Führungen, Ausstellungen und die Internetseite www.berliner-geschichtswerkstatt.de präsentieren die Arbeitsergebnisse der Öffentlichkeit.
Das biografisch orientierte Spezialarchiv umfasst derzeit über 1 000 Fotos von ehemaligen Zwangsarbeitern und Zwangsarbeiterinnen. Dazu kommen rund 90 Briefe aus Weißrussland und der Ukraine, rund 65 Briefe aus Tschechien und über 200 Briefe aus Polen. Diese sehr persönlichen, teilweise erschütternden Erinnerungen sind übersetzt, teilweise sequenziert und verschlagwortet. In zwei Auswahlpublikationen sind Briefe und Fotos der Öffentlichkeit bereits zugänglich3. Verschiedene andere Studien nutzten die Materialien.4 Publikationen aus der Projektgruppe selbst liegen vor zu Fotografie und Zwangsarbeit, zum Frauen-Arbeitserziehungslager in Fehrbellin und - auf deutsch und polnisch - zum KZ-Außenlager von Bosch in Kleinmachnow.5 Während die Archiv- und Forschungsarbeit regional orientiert ist, sammelt die gut sortierte Spezialbibliothek einschlägige Publikationen, auch ›graue Literatur‹, aus dem ganzen Bundesgebiet. Die Geschichtswerkstatt hält darüber hinaus Kontakte zu anderen lokalen Initiativen und unterstützt die von Bernhard Bremberger eingerichtete Mailingliste zur NS-Zwangsarbeit.6
1995 machte die erste Open-Air-Ausstellung vor Ort auf das »Vergessene Lager« in Schöneweide aufmerksam. Seit 2001 kämpft ein Förderkreis aus der Berliner Geschichtswerkstatt, dem Bund der Antifaschisten Treptow, dem Bezirksamt und der Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick, dem Verein Kulturlandschaft Dahme-Spreewald e.V., dem Berliner Büro der Interessengemeinschaft ehemaliger Zwangsarbeiter und anderer Projekte für die Einrichtung eines Dokumentations- und Begegnungszentrums zur NS-Zwangsarbeit in Schöneweide.
Gut sieben Jahre nach der »Entdeckung« des Lagers, am 27. Januar 2001, wurde gemeinsam mit der Grünen-Fraktion des Abgeordnetenhauses eine provisorische Gedenktafel am Zaun des Barackengeländes enthüllt. Kurz danach forderte das Berliner Abgeordnetenhaus den Senat einstimmig auf, die Realisierung einer Informationsstelle zur NS-Zwangsarbeit zu prüfen. Laut Koalitionsvereinbarung vom Herbst 2001 unterstützt der SPD-PDS-Senat das Projekt - aufgrund der Finanznot Berlins bislang freilich nur ideell. Auch der Bezirk Treptow-Köpenick hat sich zu dem Projekt bekannt und am 11. Juli 2001 eine offizielle Gedenktafel aufgestellt. Weitere Informationen fehlen jedoch; das Gelände ist zwar von der Straße aus einsehbar, aber öffentlich nicht zugänglich. Für jede Führung muss die Geschichtswerkstatt einen neuen Vertrag mit dem Eigentümer abschließen, um den Schlüssel für wenige Stunden zu erhalten.
Im Rahmen des Sommerprogramms 2002 öffnete der Förderkreis das Gelände erstmalig für einige Monate der Öffentlichkeit und machte die leerstehenden Baracken - quasi testweise - zu einem lebendigen Erinnerungsort. Von 25. Juni bis 28. September fanden Führungen, Kunst- und Schülerprojekte, Zeitzeugenbegegnungen und Werkstattgespräche statt. Kleine Ausstellungen berichteten über die Zwangsarbeit im nationalsozialistischen Berlin und Brandenburg, über Begegnungs-Initiativen und Erinnerungs-Projekte. Geführte Rundgänge informierten über die NS-Zwangsarbeit im Allgemeinen ebenso wie über die Geschichte und die Zukunftspläne für diesen konkreten Ort. Zahlreiche Fragen und Anregungen zeigten ein großes Interesse der insgesamt rund 200 Teilnehmer an dieser lebendigen Spurensuche. Schüler und Schülerinnen des direkt neben dem Lager gelegenen Archenhold-Gymnasiums erforschten die Geschichte des Zwangsarbeiterlagers, das unmittelbar vor ihren Klassenzimmerfenstern liegt. Einer der Höhepunkte der Projektwoche war die Begegnung mit dem ehemaligen Zwangsarbeiter Bolesaw Zajçzkowski aus dem polnischen ¸ód˝. Vorträge auf wissenschaftlichen Tagungen sowie im Rahmen des Berliner Denkmaltages machten überregional auf das Treptower Projekt aufmerksam.
Eine Gesprächsreihe mit Gedenkstätten-Experten und Initiativen entwickelte die pädagogische und gestalterische Konzeption für das geplante Dokumentations- und Begegnungszentrum weiter. Künstler und Künstlerinnen der Universität der Künste stellten Gestaltungsideen vor; Forscher und Museumsleiter drängten darauf, die Ergebnisse und Ausstellungsmaterialien des aktuellen Verbundprojekts von elf Berliner Regionalmuseen zur NS-Zwangsarbeit zu sichern.7 Nach Beendigung dieses ›Ausstellungszyklusses‹ soll die Ausstellung ihren ständigen Ort in einer der Baracken des Lagers Schöneweide finden. Immer wieder betont wurde die Bedeutung dieses authentischen, exemplarischen Ortes für die Erinnerung an den Nationalsozialismus im 21. Jahrhundert.

Vernetzte Erinnerungsarbeit und der authentische, exemplarische Ort

Derzeit ist die Zukunft des Ortes sehr unsicher. Das Bundesvermögensamt hat die in seinem Eigentum befindliche Hälfte des Geländes zum Verkauf ausgeschrieben. Sollte sich ein potenter Investor finden, ist der Bestand des Ensembles trotz Denkmalschutz in höchstem Maße gefährdet. Andererseits eröffnet dies auch eine Chance. Der Förderkreis strebt eine kontinuierliche Verfügungsmöglichkeit über das Gelände an und unterstützt die Bemühungen der Stiftung SPI, die Baracken zu erwerben und teilweise für ein Dokumentationszentrum zur Verfügung zu stellen. Unabhängig von der völlig ungeklärten Frage des Eigentums sowie der weiteren Finanzierung geht die konzeptionelle ebenso wie die Forschungs- und Vermittlungsarbeit - im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten - weiter.
Baulich ist bei Bewahrung des Gesamtensembles zunächst geplant, in zwei Baracken Arbeits- und Ausstellungsräume des Dokumentationszentrums einzurichten und für die anderen vier leerstehenden Baracken eine angepasste, denkmalgerechte Nutzung zu finden. Denkbar wären etwa ein Jugendhotel oder Atelierräume. Architektonisch stellt sich hier - wie in anderen Gedenkstätten - die Frage eines historischen Rückbaus der Baracken mit Elementen der Rekonstruktion versus der Bewahrung des Status Quo inklusive aller Spuren der Nachkriegsnutzung. Zur Ideenfindung kooperiert die Berliner Geschichtswerkstatt derzeit mit einem Multimedia-Projekt der Berliner Fachhochschule für Technik und Wirtschaft. Im Rahmen eines Praxisseminars entwickeln Studentinnen und Studenten des Studiengangs »Angewandte Informatik« eine virtuelle, dreidimensionale Rekonstruktion des Barackengeländes, mit der verschiedene Varianten des zukünftigen Erscheinungsbildes digital durchgespielt und präsentiert werden können. Gleichzeitig testet diese interdisziplinäre Zusammenarbeit von Informatikern und Historikern didaktische Potentiale neuer Medien zur Veranschaulichung historischer Zusammenhänge. Sie bietet ein Beispiel für das angestrebte prozessuale Vorgehen bei der Errichtung des Dokumentationszentrums. Im Sinn einer »Projektwerkstatt« werden in Kooperation mit vielfältigen eigenständigen Projekten nach und nach die Bausteine zu einem Gesamtprojekt zusammenfügt.
Auch bei der Quellendokumentation, der Organisation von Begegnungen und der Bildungsarbeit wird wie bisher die Anregungs- und Vermittlungstätigkeit zu eigenen Initiativen in anderen Orten und Bezirken im Zentrum stehen. Schon in der Vergangenheit konnten die Kontakte mit den Betroffenen und die im Spezialarchiv gesammelten Informationen anderen Projekten helfen. So nutzt der Arbeitskreis Berliner Regionalmuseen die Archivalien der Berliner Geschichtswerkstatt für seinen umfangreichen Ausstellungszyklus zum Thema Zwangsarbeit.
Nur gemeinsam mit vielen engagierten Lokalhistoriker und -historikerinnen können Firmen- und Lagerlisten erarbeitet und interpretiert werden. Das Internet-Portal www.zwangsarbeit-in-berlin.de informiert nicht nur über das Lager in Schöneweide, sondern auch über andere Projekte in der Bundesrepublik.
In Charlottenburg, Hennigsdorf und Marzahn wurden Gedenktafeln und Erinnerungszeichen, in Tegel und Köpenick Künstlerprojekte initiiert oder unterstützt. Die gemeinsam mit ehemaligen Zwangsarbeiter durchgeführten Spurensuchen führen bis ins Berliner Umland und inspirierten Schulen und Kirchengemeinden in Fehrbellin oder Oranienburg zu Zeitzeugengesprächen und weiteren eigenen Aktivitäten. Auch die pädagogische Arbeit beschränkte sich nicht auf Rundgänge in Schöneweide, etwa zum Tag des Offenen Denkmals, oder auf Schulprojekte in Treptower Schulen. Vielmehr wurden auch eine studentische Exkursion zum Zwangsarbeiterverband nach Prag oder ein historischer Workshop für Betriebsräte der IG-Metall begleitet und unterstützt. Geplant ist ein Workshop mit italienischen Jugendlichen. Durch die Kooperation mit den nationalen Betroffenenverbänden kam es auch zu Veranstaltungen in Prag, Brünn, Warschau oder ¸ód˝.
Klar ist aber: Diese bislang weitgehend ehrenamtlich geleistete Vernetzungsarbeit braucht einen räumlichen Kristallisationspunkt. Dies gilt für die Material- und Quellensammlung ebenso wie für Gedenkveranstaltungen oder pädagogische Programme. Der authentische Ort steht nicht für sich alleine; ohne ihn hängen aber Schülerprojekte ebenso wie Begegnungen in der Luft. Erforderlich ist auch ein Mindestmaß an institutioneller Kontinuität, um die im vergangenen Jahrzehnt zusammengetragenen Erfahrungen, Kontakte, Materialien und Kompetenzen zu sichern. Vordringlich wäre hier für Berlin ein - in anderen Städten längst übliches - kontinuierliches Einladungsprogramm, das dem Wunsch der ehemaligen Zwangsarbeiter nach Wiederbegegnung mit den Orten ihrer verlorenen Jugend, aber auch nach symbolischer Anerkennung und Würdigung - über die finanzielle Entschädigung hinaus - entspräche.

Antirassistische Bildungsarbeit zum Thema NS-Zwangsarbeit

Antirassistische Bildungsarbeit soll zum eigenständigen Hinterfragen von rassistischen und autoritären Strukturen und Denkmustern anregen. Diesem Ziel muss als Mittel ein aktives und exemplarisches Lernen entsprechen, das auf die Gegenwart bezogen und multiperspektivisch ist. Das Dokumentations- und Begegnungszentrum zur NS-Zwangsarbeit strebt diese Ziele so an: Für das exemplarische Lernen bürgen die direkte Begegnung mit Zeitzeugen oder ihren biografischen Fotografien und Erinnerungen, die durch die Kooperation mit den Betroffenenverbänden und den Aufbau eines biografischen Spezialarchivs der Bildungsarbeit zur Verfügung stehen. Für das exemplarische Lernen steht ferner der authentische Ort des Zwangsarbeiterlagers Schöneweide, an dem sich trotz der im Detail noch bestehenden Forschungslücken beispielhaft verschiedene Aspekte der nationalsozialistischen Zwangsarbeit vermitteln lassen: Hier wird nicht nur die Geschichte dieser Baracken und ihres Vergessens, der italienischen Zwangsarbeiter und der KZ-Häftlinge, des GBI und einer Batteriefabrik erzählt; hier wird auch erlebbar und verstehbar, was in zehntausenden anderer Lagerstandorte in Deutschland geschah. Dazu müssen die zahlreichen Einzelforschungen zur Geschichte der zivilen Zwangsarbeiter - wenig gibt es zu Kriegsgefangenen - zusammengetragen werden. Detaillierte lokalhistorische Informationen, die per Datenbank recherchierbar sind, regen zu eigenständigen Spurensuchen nach diesen Lagern, Firmen, Friedhöfen oder Gefängnissen vor der eigenen Haustür ein. Für das aktive Lernen stehen daneben auch die Möglichkeiten, ein selbständiges Arbeitsergebnis zu erreichen, etwa Erinnerungszeichen vor Ort zu gestalten, eigene Internetseiten und Fotoausstellungen zu realisieren oder Kunst- und Theater-Workshops durchzuführen. Die Entwicklung von sozialen Kompetenzen hat dabei Vorrang vor der reinen Wissensvermittlung.
Das Thema NS-Zwangsarbeit ermöglicht vielfältige Bezüge zur gegenwärtigen Lebenswelt von Jugendlichen, etwa das gleiche Alter der damals jugendlichen Zwangsarbeiter, aber auch die heute noch aktuellen Probleme von Rassismus, Arbeitswelt, Migration und Entfremdung. Die Bildung eines eigenen Urteils erfordert die Konfrontation mit verschiedenen Rollen und Standpunkten (Opfer, Täter, Zuschauer, Historiker, Jugendlicher, Mann, Frau). Gerade die facettenreiche, tief in den Kriegsalltag der deutschen Bevölkerung und Bürokratie integrierte Geschichte der zivilen Zwangsarbeiter erlaubt hier besonders vielfältige und differenzierte Zugänge. Dem entspricht didaktisch eine Verbindung verschiedener Methoden und Medien wie Führung, forschendem Lernen, Zeitzeugengespräch und künstlerischer Gestaltung, die vielfältige, gut aufbereitete pädagogische Materialien verlangen, wie sie etwa das Jugendmuseum Schöneberg entwickelt hat.
Erfahrungsgemäß dauert die Einrichtung einer Gedenkstätte in der Regel 15 bis 20 Jahre. Ein Konzept für das Dokumentationszentrum Schöneweide müsste also fragen: Wie kann Gedenkstättenarbeit im Jahr 2020 aussehen? Da keine Zeitzeugen mehr leben werden, müssen didaktisch aufbereitete Erinnerungsberichte die lebendige Begegnung ersetzen. Diese Zeugnisse können aber nur heute noch gesammelt werden. Internet und andere Medien werden zu selbstverständlich genutzten Informationsmitteln; gegenüber der realen Erfahrung des authentischen Ortes büßen sie aber ihre heutige Faszination ein. Infolge der weiter fortschreitenden Deindustrialisierung gehört Zwangsarbeit als Teil der Fabrikarbeit einer vergangenen, vielfach nicht mehr vorstellbaren Epoche an. Die Weiterentwicklung von Bio- und Gentechnik verleiht der Diskussion um rassistische Hierarchien erneut Aktualität. Infolge der Globalisierung und der europäischen Integration gewinnt der Themenkomplex Migration - Arbeit - Rassismus für die Geschichte der Zwangsarbeit an Bedeutung gegenüber dem historischen Kontext von Shoah und Weltkrieg. Forschung und Pädagogik werden das Thema Zwangsarbeit behutsam vergleichend und unterscheidend ausweiten und einbetten, ohne es aktuell zu instrumentalisieren. Eine besondere Bedeutung hat die NS-Zwangsarbeit für das Verhältnis zu den polnischen, tschechischen, russischen und ukrainischen Nachbarn - viele Jugendliche dort kennen das Thema aus Familienerzählungen. Im Zeichen der Europäisierung des Gedenkens braucht die Erinnerungsarbeit neben der Mehrsprachigkeit auch ein auf eine multinationale Zielgruppe abgestimmtes inhaltliches Konzept.
Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen verfolgt das geplante Dokumentations- und Begegnungszentrum folgende Ziele:
1 Bewahren: Erhaltung des Lagers als Gesamtensemble; Kennzeichnung, Öffnung und denkmalgerechte Nutzung des authentischen Ortes in seinem historischen Umfeld.
2 Information: Regelmäßige Rundgänge, Schülerprojekte und historische Spurensuchen; Einrichtung von Dauer- und Wechselausstellungen, Seminarräumen und einer Infothek; Entwicklung pädagogischer Programme und Materialien.
3 Dokumentation: Ausbau der vorhandenen Spezialbibliothek und des biografisch orientierten Spezialarchivs; Bewahrung und Erschließung der gesammelten Archivalien, Fotos und Zeitzeugenberichte; Zusammenführung von Spezialinventaren zu einschlägigen Archivbeständen.
4 Vernetzung: Integration von Datenbanken zu Zwangsarbeiterlagern und -firmen für die lokalhistorische und pädagogische Spurensuche; Kooperation mit Forschungs- und Erinnerungsinitiativen im In- und Ausland; Beratungs- und Vermittlungstätigkeit für Kunst-, Gedenk- und Forschungsprojekte; Ausbau des Internet-Portals.
5 Begegnung: Einladungen von ehemaligen Zwangsarbeitern und deren Kindern; internationale Jugendbegegnung, Workcamps und Zeitzeugengespräche; Kontaktpflege mit Betroffenenverbänden im Ausland.
6 Gedenken: Schaffung eines würdigen, lebendigen Erinnerungsortes für Berliner und Berlinerinnen und ehemalige Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen.
Bis vor kurzem zählten die ZwangsarbeiterInnen zu den vergessenen Opfern des Nationalsozialismus. Nun ist endlich eine kleine finanzielle Entschädigung beschlossen - noch längst nicht vollständig realisiert -, aus der aber kein geschichtspolitischer Schlussstrich werden darf. Vielmehr muss die Erinnerung an die NS-Zwangsarbeit bewahrt und in eine aktive, antirassistische Friedens- und Bildungsarbeit umgesetzt werden. Als wichtigster Rüstungsstandort des Dritten Reichs, als ehemalige Reichs- und heutige Bundeshauptstadt und als selbstverstandene Brücke zu Osteuropa trägt Berlin dafür eine besondere Verantwortung. Keine der Berliner Gedenkstätten widmet sich explizit dem Thema Zwangsarbeit; nur wenige Gedenktafeln erinnern daran. Am authentischen Ort des letzten Berliner Lagers soll daher eine anschauliche Erinnerungs- und Begegnungsstätte eingerichtet werden. Das Land Berlin ist dafür ebenso gefordert wie der Bund und die deutsche Wirtschaft.

Informationen: www.zwangsarbeit-in-berlin.de
www.berliner-geschichts-werkstatt.de

1 Fünf Jahrzehnte nach Kriegsende, am 21. 11. 1994, lautete eine Überschrift in der »tageszeitung«:
»NS-Lager entdeckt.«
2 Die Darstellung der Geschichte des Lagers stützt sich auf die Bestände »Der Generalbauinspektor der Reichshauptstadt« des Bundesarchivs Berlin und des Landesarchivs Berlin. Die Informationen zum
KZ-Außenkommando stammen vom Archiv der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück, dem Archiv der Gedenkstätte Sachsenhausen (LAG XI/4) und von Zeugenaussagen zum Ermittlungsverfahren polnischer Staatsanwaltschaften, Bundesarchiv Ludwigsburg (IV 406 AR 1886/68). Eine weitere Quelle zur Lagerbelegung fand sich bei der Dienststelle für Kriegsopfer, Dienst Archiv und Dokumentation, Brüssel (Anhang Nr. 83 des Endberichts Nr. 20, R 149/Tr. 76662). Dieser Bestand beruht auf Befragungen vor Ort, die der Belgische Nationale Suchdienst in der Zeit von 1946 und 1951 durchgeführt und dokumentiert hat. Es handelt sich dabei um subjektive Einschätzungen und Erinnerungen.
Als Literatur wurden »Von Berlin nach Germania« von H. J. Reichhardt und W. Schäche, Berlin 2001, »Zwangsarbeiter- und Kriegsgefangenlager« von R. Kubatzki, Berlin 2001, »Abgeschlossene Kapitel« von S. Moller, M. Rürup, C. Trouvé (Hrsg.), Tübingen 2002 und »Zwangsarbeit für den ›Verbündeten‹« von G. Hammermann, Tübingen 2002 benutzt. Weitere Recherchen sind geplant. Auch die Suche nach Zeitzeugen wird fortgesetzt.
3 Berliner Geschichtswerkstatt (Hrsg.), Zwangsarbeit in Berlin 1940-1945. Erinnerungsberichte aus Polen, der Ukraine und Weißrußland, Erfurt 2000. Berliner Geschichtswerkstatt (Hrsg.), »Totaleinsatz« - Zwangsarbeit in Berlin 1943-1945. Tschechische Zeitzeugen erinnern sich, Berlin (Selbstverlag) 1998. Cord Pagenstecher, Privatfotos ehemaliger Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter - eine Quellensammlung und ihre Forschungsrelevanz, in: Meyer, Winfried / Neitmann, Klaus (Hrsg.), Zwangsarbeit während der NS-Zeit in Berlin und Brandenburg. Formen, Funktion und Rezeption, Potsdam 2001, S. 223-246.
4 Z. B. Leonore Scholze-Irrlitz/Karoline Noack (Hrsg.), Arbeit für den Feind. Zwangsarbeiter-Alltag in Berlin und Brandenburg (1939-1945), Berlin 1998.
5 Berliner Geschichtswerkstatt e.V. (Hrsg.), »Ich sah den Namen Bosch«. Polnische Frauen als KZ-Häftlinge in der Dreilinden Maschinenbau GmbH. Eine Dokumentation von Angela Martin, Berlin 2002. Cord Pagenstecher, AEL Fehrbellin. Ein Frauen-Straflager für Berliner Zwangsarbeiterinnen, in: Moller, Sabine/Rürup, Miriam/Trouvé, Christel (Hrsg.), Abgeschlossene Kapitel? Zur Geschichte der Konzentrationslager und der NS-Prozesse (Studien zum Nationalsozialismus in der edition diskord, Band 5), Tübingen 2002, S. 28-45. Cord Pagenstecher, Erfassung, Propaganda und Erinnerung.
Eine Typologie fotografischer Quellen zur Zwangsarbeit, in: Reininghaus, Wilfried/Reimann, Norbert (Hrsg.), Zwangsarbeit in Deutschland 1939-1945. Archiv- und Sammlungsgut, Topographie und Erschließungsstrategien, Bielefeld/Gütersloh 2001, S. 254-266.
6 Vgl. www.zwangsarbeit-forschung.de.
7 Bernt Roder, Zwangsarbeit in Berlin - Ein Ausstellungsprojekt des Arbeitskreises Berliner Regionalmuseen; in: GedenkstättenRundbrief Nr. 108, August 2002

 
 
 Bibl.:
Gabriele Layer-Jung und Cord Pagenstecher: Vom vergessenen Lager zum Dokumentationszentrum? : Das ehemalige NS-Zwangsarbeiterlager in Berlin-Schöneweide . In: Gedenkstättenrundbrief 111, Jg. 20034